Der Ring des Nibelungen (Bilder zur Musik Richard Wagners)

Der Komponist Richard Wagner polarisierte zu seinen Lebenszeiten und er tut es noch heute. In Gesprächen über seine Opern hört man oft Sätze wie: „Das ist aber sehr schwere Musik“, oder „die Musik ist düster und beladen“. Ich würde es ganz anders ausdrücken. Die Musik Richard Wagners erscheint mir tiefgründig, aber vor allem vielschichtig. Und genau das habe ich irgendwann beim Zuhören gedanklich in Farben gesehen.

Aus dieser Assoziation sind meine Bilder zum „Ring des Nibelungen“ entstanden. Der Farbauftrag mit dem Rakel und nur sehr vereinzelt mit Pinsel oder Spachtel erzeugt mehrschichtige Ebenen aus Farben. Teilweise habe ich Farbschichten wieder abgetragen, einiges stehenlassen, anderes übermalt. Diese Malweise schafft eben jene sichtbare Vielschichtigkeit, die unmittelbar aus der Musik zu hören ist. Insgesamt sind so bisher 17 Großformate entstanden von denen hier auf der Seite 15 zu sehen sind.

Meine ersten Berührungen mit Richard Wagners Musik liegt 30 Jahre zurück. Es war damals „Parsifal”, auf den ich aufmerksam wurde und der mich aufhorchen ließ. Bevor ich in Bayreuth eine Aufführung dieser Oper erlebte, besuchte ich eine Inszenierung in Hannover und hörte die Musik auf Schallplatte. Insgesamt war ich also vorbereitet auf ein Musikstück, das viele Leute – und auch Opernfreunde – manchmal ein wenig zusammenzucken lässt. Meine Herangehensweise an das Stück war dominiert vom Zuhören. Die Handlung, dieses Geflecht aus mystischen und religiösen Verknüpfungen, hat mich weniger interessiert. Je öfter ich diese Musik hörte, umso tiefer versank ich darin.

Das umfassendste Werk des Komponisten – Der Ring des Nibelungen – beinhaltet Stücke, die mir sehr nahe gehen und die mich viel beschäftigen. Daraus ist nun ein künstlerisches Projekt gewachsen, in dem ich mir aus den vier Opern des „Rings“ jeweils Passagen herausnehme, die ich zu großformatigen Bildern verarbeite.

Die Handlung der vier Opern kann man als ein großes kompaktes mystisches Märchen sehen. Kein Märchen für Kinder, eher eine handfeste Geschichte um Habgier, Neid, Macht und Liebe. Sie handelt von Göttern, Helden, Riesen, Inzest, liebenden Vätern und Töchtern. Es gibt einen Drachen, dominante, allwissende und liebende Frauen und es fließt eine Menge Blut. Nicht zu vergessen: Es gibt eine moralische Botschaft, die mitschwingt und die besagt, dass die Gier nach grenzenloser Macht nicht von Erfolg gekrönt ist. Am Ende – nachdem die Welt der Götter in Schutt und Asche liegt – glimmt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft auf. In jedem Falle ein Stoff, der für einen Maler unendlich viele Motive beinhaltet, die man in Bilder umsetzen könnte. Meine Herangehensweise war eine andere. Es geht mir nicht darum, mit meinen Bildern die Handlung des Stückes wiederzugeben. Zu sehen sind keine Figuren oder Symbole. Mein Ansatz ist immer die Musik und deren Vielschichtigkeit. Die Musik zu hören und die daraus entstehenden Gefühle in Farben wiederzugeben, das interessiert mich.

Begonnen habe ich mit dem Teil aus der Götterdämmerung – kurz vor Schluss – wo Brünnhilde das Rheingold an die Rheintöchter zurückgegeben hat und selbst in den Flammen des Weltenbrandes umkommt. Was so hochdramatisch beginnt, endet mit einer Musik, die Zuversicht und Hoffnung ausstrahlt. Diese Musik in Farbe zu transformieren, war eine Art Schlüsselerlebnis. Von diesem ersten Bild ausgehend, habe ich mir weitere Teile des Stückes herausgesucht, zu denen ich Farben sah. Meistens habe ich während des Malens die Musik gehört.

Jedes einzelne Bild hat eine konkrete Zuordnung zu einem Teil der Partitur. Einige Beispiele sind das Rheingold-Vorspiel, Nibelheim, das Liebesduett zwischen Siegmund und Sieglinde, Wotans Abschied von Brünnhilde, das Waldweben und Waltrautes Erzählung. Die Betrachter müssen die Musik aber nicht kennen, um meine Umsetzung mit ihrer Wahrnehmung zu vergleichen. Die Bilder sollen für sich sprechen.

Es ist durchaus möglich, dass noch weitere Bilder zum „Ring“ entstehen. Ein Stück Musik, dass mich nicht loslässt.

Frank Hentschel, Hannover, Oktober 2014

Und hier geht es zu den Bildern.